Das Maximum-Drehgestell in München
Die ersten elektrischen Münchner Trambahnwagen waren zeittypische kurze Zweiachser mit kurzen Fahrwerken und großen Überhängen. Schon bei den damals noch sehr geringen Fahrgeschwindigkeiten führte dies zu einem sehr unruhigen Lauf und sehr schlechtem Kurvenverhalten bei den München-typischen engen Kurvenradien.
Die geringe Fahrgastkapazität der Z-Triebwagen von 28 bis maximal 36 Fahrgästen (bei den Triebwagen 29 – 32) führte schon 1898 zur Notwendigkeit der Beschaffung größerer und leistungsfähigerer Triebwagen. Einer Vergrößerung von Zweiachsern standen jedoch die kurzen Fahrwerke mit ca. 1,9 Metern Achsstand eindeutig entgegen.
Für München kamen die von J.G.Brill 1891 in Philadelphia entwickelten Maximumtrucks oder auf Deutsch Maximumdrehgestelle gerade recht. Die mit ihnen ausgestatteten A-Triebwagen konnten schon zwischen 40 und 54 Fahrgästen transportieren und aus Pferdebahnwagen umgebaute Beiwagen mitführen, ein gewaltiger Sprung gegenüber den kleinen Z-Wagen.
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Maximum-Drehgestell Typ 1
Aber was war jetzt das besondere an den Maximumdrehgestellen? Bei üblichen Drehgestellen liegt der Drehpunkt genau in der Mitte zwischen den beiden Achsen. Um die Einstiege für Fahrgäste nicht zu sehr zu erschweren, mussten die Fahrwerke immer unter dem Fahrgastraum untergebracht werden und die Plattformen mit Einstiegen und Fahrerplätzen waren als Überhang vor und hinter den Fahrgasträumen platziert.
Eine gravierende Einschränkung war in den engen Kurven jedoch der Überhang der Plattformen, die nicht in den Lichtraum des Gegengleises ragen durften. Dieser Überhang wäre bei normalen Drehgestellwagen gemessen ab dem Drehpunkt sehr groß geworden und hätte zu weiteren Größenbeschränkungen in München geführt.
Da kam das Maximum-Drehgestell gerade recht. Bei ihm liegt der Drehpunkt nur ca. 10% des Abstands der beiden Drehgestellachsen hinter der Treibachse. Damit rücken die beiden Drehpunkte um eine halbe Länge des Achsabstands auseinander und ergeben daher bei gleicher Wagenkastenlänge eine wesentlich günstigere Ausnützung des Lichtraumprofils in Kurven, was auch mehr Platz für Fahrgäste bedeutet.
Als nächster Vorteil ist die stärkere Belastung der Treibachsen zu sehen. Bei zwei angetriebenen Achsen im Triebwagen werden diese mit ca. 90% des Wagengewichts belastet. Die übertragbare Zugkraft eines Maximumwagens entspricht daher einem Wagen mit drei angetriebenen und nur einer antriebslosen Achse. Daher kommt auch die ursprüngliche Brill-Bezeichnung „Maximumtraction“, auf Deutsch „maximale Traktion“.
Eine Steigerung dieses Sparprinzips stellt nur noch der Buchli-Dreiachser dar, der nach dem Krieg in den Münchner M-Wagen umgesetzt wurde. Dort konnte trotz guter Kurvenlaufeigenschaften fast 100% des Wagengewichts zur Zugkraftübertragung genutzt werden.
Aber zurück zum Maximumdrehgestell.
Grafik: Dieter Kubisch / FMTM eV.
Ein weiterer Vorteil des unsymmetrischen Drehpunkts ist, dass die Triebräder bei Kurvenfahrt nur minimal ausschwenken. Dadurch können sie in den Fahrzeugrahmen eintauchen und ermöglichen so einen tieferen Fahrzeugboden, als Fahrzeuge mit normalen Drehgestellen.
Die nicht angetriebene zweite Achse ist mit deutlich kleineren Rädern versehen, schwenkte problemlos weiter unter dem Rahmen aus und lenkte so die Treibachse fast optimal in eine radiale Stellung in den Kurven. Einziges Problem der ersten Maximumdrehgestelle war die geringe Belastung dieser Laufachsen. Beim führenden Drehgestell war das kein Problem, da die Laufachse immer gezogen wurde. Beim hinteren Drehgestell lief sie jedoch voraus und neigte wegen der geringen Belastung zu häufigeren Entgleisungen, besonders, da damals die Straßenzustände noch sehr zu wünschen übrig ließen.
Dieses Problem trat jedoch hauptsächlich nur bei den ersten Maximumdrehgestellen des Typs 1 auf. Diese wiesen noch keinen Querrahmen hinter der Laufachse auf und deshalb auch keine Federabstützung, die das Entgleisen der Laufachsen verhindern sollte. Die Seitenwangen der von der Böker/Bergische Stahlindustrie in Remscheid gelieferten Typ 1 Drehgestelle bestanden aus einem Stahlguß-Vorderteil mit der Treibradsatzführung und Federung sowie der Fahrzeugkastenabstützung mit Spiralfedern und einem angenieteten Hinterteil mit den gefederten Achslagern der Laufachse. Die Seitenrahmen waren vor der Treibachse und zwischen den beiden Achsen mit entsprechenden Querstreben vernietet. Insgesamt machte diese Konstruktion noch einen sehr primitiven Eindruck auch mit den oben beschriebenen Entgleisungsproblemen. Die Drehgestelle des Typs 1 waren jedoch nur in den A 1.1 Triebwagen 51 – 150 und in den daraus umgebauten A 3.1 eingebaut.
Schon ein Jahr später hatte die Böker/Bergische Stahlindustrie dann eine neue verbesserte Ausführung des Typs 2 entwickelt.
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Ein Blick in die Ablaugerei , ein Bad um den ganzen öligen Rückstände vom Drehgestell zu bekommen 1928
Drehgestell Typ 2 des A 2.2-Tw 256 im MVG-Museum
Aufnahme: Dieter Kubisch FMTM eV.
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Schon die ab 1899 beschafften 150 A 2.2-Triebwagen wiesen die verbesserten Fahrwerke des Typs 2 auf. Ein solches Fahrwerk des Typs 2 kann noch heute im MVG-Museum unter dem prachtvollen A 2.2-Triebwagen 256 bewundert werden.
Hier bestehen die Seitenwangen aus einem einzigen Stahlguß-Bauteil, in das beide Achslagerführungen mit Spiralfederungen sowie die gefederte Kastenabstützung integriert sind. Zusätzlich ist der Rahmen jetzt hinter die Laufachse verlängert und erst dort mit einer stabilen Querverbindung mit integrierter Federabstützung gegen den Wagenkasten verbunden. Damit kann auch erstmals die Laufachse von hinten gebremst werden, was beim Typ 1 nur von vorne möglich war.
Mit dem Typ 2 war die Basis aller weiteren Maximum Drehgestelle bis zum Typ 5 geschaffen. Erste ab Typ 6 wurden neue Fertigungsmethoden eingeführt. Doch dazu später.
Andere Ideen für längere Zweiachser kamen dann von Böker. Einzelachsdrehgestelle sollten den Kurvenlauf langer zweiachsiger Triebwagen verbessern. Der Kurvenlauf verbesserte sich tatsächlich, aber der Geradeauslauf ließ sehr zu wünschen übrig. Die Einachsdrehgestelle wurden unter den ersten B1-Triebwagen 375 – 379 ab 1908 getestet, aber schon 1910 gegen Maximumdrehgestelle des Typs 3 getauscht.
Bis heute ist wohl das einzige überlebende Exemplar eines Triebwagens mit Einzelachsdrehgestellen bei der Kirnitzschtalbahn im Elbsandsteingebirge als Triebwagen 9 betriebsfähig als Museumswagen erhalten. Allerdings sind bei ihm die Einzelachsdrehgestelle festgelegt und damit entspricht er lauftechnisch einem normalen Zweiachser mit langem Achsstand.
Der Getriebekasten für ein Maximum-Drehgestell in unserem Lager als Ersatzteil.
Foto: Reinhold Kocaurek / FMTM eV.
© Archiv FMTM eV.
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Die von Böker/ Bergische Stahlindustrie BSI gefertigten Drehgestelle waren eine direkte Weiterentwicklung der Typ 2 Drehgestelle aus demselben Haus.
Aufnahme: Dieter Kubisch FMTM eV.
Mit den von Rathgeber 1908 beschafften B-Triebwagen kamen dann die Drehgestelle des Typs 3 nach München. Diese von Böker in Remscheid (eng verbunden mit der Bergischen Stahlindustrie ebenfalls in Remscheid) gefertigten Drehgestelle waren daher jenen der Bergischen Stahlindustrie sehr ähnlich. Diese Drehgestelle wurden nach Verschrottung der B-Wagen ab 1956 noch in modernisierte D6-Triebwagen eingebaut und erlebten so sogar noch das Ende aller Maximum-Triebwagen im Fahrgasteinsatz 1972 in München. Im Museumswagen D 6.3 Nr. 490 kann man Drehgestelle des Typs 3 noch heute manchmal sogar auch im Betrieb erleben. Alle von Böker gelieferten Drehgestelle hatten die typischen Stahlguß-Rahmenwangen und unterschieden sich nur unwesentlich.
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Aufgebockter Wagen mit einem Typ 4 Maximum-Drehgestell
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Weitere Böker/BSI Drehgestelle kamen mit der Lieferung der C1-Triebwagen von Rathgeber ab 1910 als Typ 4 nach München. Diese Typ 4 Drehgestelle wurden beim Umbau der C- in D-Triebwagen beibehalten und erlebten in den modernisierten D 6.4-Wagen ebenfalls noch das Ende der Altwagen nach den Olympischen Spielen 1972.
Die von Lindner in Ammendorf (Halle Saale) 1911 gelieferten C3-Triebwagen bekamen Drehgestelle von der sonst nur im Speziallokomotiv-/ Brücken- und Stahlbau aktiven Firma Gustav Trelenberg aus Breslau, die dann als Typ 5 eingereiht wurden. Auch die C4-Triebwagen von MAN Nürnberg erhielten von diesem Hersteller die Typ 5 Drehgestelle. Dieser Drehgestelltyp (sehr ähnlich den Typ 3 und 4 Gestellen von Böker) wurde ebenfalls beim Umbau in D6-Triebwagen weiter verwendet und hielt sich bis zu den Olympischen Spielen 1972.
Ein typisches Maximum-Drehgestell Typ 5
Die 1911 von Rathgeber beschafften C 1.6-Triebwagen erhielten dann erstmals MAN-Drehgestelle, die im Gegensatz zu allen bisherigen Maximum-Drehgestellen Blattfedern statt Schraubenfedern für die Achsfederung erhielten. Sie waren auch die ersten Drehgestelle mit Pressblech-Seitenwangen statt der bisher verwendeten Stahlgußausführung. Diese abweichende Bauart mit den Blattfedern, von der nur 38 Triebwagen beschafft wurden, konnte sich in München allerdings nicht durchsetzen. Ab 1956 wurden die aus diesen Fahrzeugen modernisierten D6-Triebwagen auf Typ 3, bzw. ein Fahrzeug auf Typ 8 Drehgestelle, umgerüstet.
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Maximum-Drehgestell Typ 6 am D 2.6 Wagennummer 486 mit den neuen zusätzlichen Blattfedern
© Archiv FMTM eV.
Auch der einzige D 1.6-Triebwagen, aus dem 1927/28 dann der noch heute vorhandene Wanderbüchereiwagen umgebaut wurde, hatte bei Lieferung Drehgestelle des Typs 6. Aber auch er wurde 1959 auf Typ 3 Drehgestelle umgebaut, die er noch heute besitzt.
Durch die frühzeitige Ausmusterung der Typ 6 Drehgestelle existiert heute kein Drehgestell mit Blattfedern mehr.
Nur drei Triebwagen des Typs C2 wurden von Rathgeber 1913 mit MAN-Drehgestellen mit Schraubenfedern Typ 7 beschafft. Sie blieben aber Einzelstücke und wurden 1959 bei den zu D6 modernisierten Wagen gegen Typ 3 Drehgestelle getauscht. Auch von den Typ 7 Drehgestellen ist kein Exemplar erhalten geblieben.
Maximum-Drehgestell Typ 7 von C 2.7 mit ausgebautem Motor
© Archiv FMTM eV.
Drehgestell Typ 8 des G 1.8-Tw 2973 im MVG-Museum
Erst 1925 wurde die vereinfachte Bauweise mit Pressblech-Seitenwangen bei den Maximum-Drehgestellen für die Lieferungen der E1, E2 und E3-Triebwagen von MAN, Linke-Hofmann-Lauchhammer aus Breslau und Schöndorff in Düsseldorf wieder umgesetzt. Bei den als Typ 8 eingereihten Drehgestellen waren die Achslagerführungen, Schraubenfedergehäuse und Aufbauabstützungsgehäuse ebenfalls aus Pressblech und wurden dann mit den Seitenwangen vernietet. Dies vereinfachte offensichtlich den Herstellungsprozess und auch spätere Reparaturen. Eine weitere sehr bedeutende Neuerung war der erstmalige Einsatz von Rollenlagern für die Achslager. Die bisher eingesetzten Gleitachslager waren sehr wartungsaufwändig und mussten verhältnismäßig oft mit neuem Lagermaterial ausgegossen werden, ein sehr zeit- und arbeitsaufwändiger Prozess. Die neuen Rollenlager stammten von SKF und mussten normalerweise zwischen zwei Hauptuntersuchungen nicht gewartet werden. Zudem wurde der Rollwiderstand durch die Rollenlager auf ein Minimum reduziert, was zu weiteren Einsparungen im Betrieb führte. Von den E-Triebwagen wurde gleich eine Serie von 100 Triebwagen beschafft. Die Drehgestelle wurden von allen drei Fahrzeugherstellern beigeliefert. Über den Wiederaufbau kriegszerstörter E-Triebwagen kamen die Typ 8 Drehgestelle dann auch bei den G1-und K1-Triebwagen zum Einsatz.
Auch die Posttriebwagen des Typs P2 erhielten 1928 die Typ 8 Drehgestelle. Die nach Aufgabe des Posttrambetriebs aus ihnen in eigenen Werkstätten aufgebauten Arbeitstriebwagen der Typen Fahrdrahtkontroll- FK1, Fahrdrahttrommel- FT1 und Turmtriebwagen Tu1 behielten die Typ 8 Drehgestelle. Der FK1 2942 ist bis heute bei der MVG für die Kontrolle der Fahrdrähte und u.a. auch zur Schneeräumung im Einsatz und damit der wohl weltweit dienstälteste Maximumtriebwagen mit einem Dienstalter vom 89 Jahren im Jahre 2017.
Auch die im MVG-Museum gezeigten Arbeitstriebwagen der Typen G1 und Tu1 besitzen die Typ 8 Drehgestelle und können dort bewundert werden.
© Archiv FMTM eV.
Der erste 1929 beschaffte F1-Triebwagen vom seltenen Lieferanten Autokasten München erhielt ein modifiziertes MAN Drehgestell vom Typ 9, welches als erstes Münchner Maximum-Drehgestell mit Schienenbremsen ausgerüstet war. Dieses wurde aber bei den folgenden F2-Triebwagen von HAWA Hannover dann mit ebenfalls von HAWA gelieferten Typ 10 Drehgestellen ersetzt, die jedoch keine Schienenbremsen besaßen. Der Einzelgänger F1 wurde 1958 mit Typ 8 Drehgestellen ausgestattet und war so bis 1971 in Betrieb.
Drehgestell Typ 9 von F 1.9 Wagennummer 626
© Archiv FMTM eV.
Die Typ 10 Drehgestelle entsprachen weitgehend den Pressblech-Drehgestellen mit Rollenachslagern des Typs 8 und waren nach Kriegsverlusten von F-Triebwagen auch in die Wiederaufbauten der Serie K2 eingebaut. Die F2-Triebwagen hielten sich ebenfalls bis zu den Olympischen Spielen 1972 im Liniendienst. Als letzter F2-Triebwagen existiert der 642 im Deutschen Museum auf der Theresienhöhe. Da für die dortige Präsentation der F2 nicht besondere Aussagekraft besitzt, restauriert die Werkstattgruppe des FMTM gerade den aus Graz zurückgeholten G1-Tw 2970, um ihm mit dem Deutschen Museum gegen den F2 zu tauschen. Dann kann auch das Typ 10 Drehgestell in der Ausstellung des MVG-Museums bewundert werden.
Als Ende der 50er / Anfang der 60er Jahre absehbar wurde, dass Altfahrzeuge nur mit Schienenbremsen weiter im Fahrgastverkehr eingesetzt werden durften und München auf seine Maximumtriebwagen noch länger nicht verzichten konnten, wurden unter den D, E, F, G und K-Triebwagen sowie den modernen Arbeitswagen die dort eingesetzten Maximum-Drehgestelle mit Schienenbremsen nachgerüstet. Dabei wurden noch die Typen 3, 4, 5, 8 und 10 umgebaut. Trotz des teilweise schon hohen Alters der Drehgestelle (Typ 3 schon über 50 Jahre alt) waren die Wagen mit Schienenbremsen dann noch bis nach den Olympischen Spielen 1972 im Einsatz.
Da die Schienenbremsen einen definierten Abstand zu den Schienenköpfen benötigen, wurden sie mit speziellen Haltern an den Achslagergehäusen mit einer dazwischen angebrachten Querstange aufgehängt. Bauartbedingt unterschieden sich die Halterungen an den Stahlgußdrehgestellen deutlich von den Pressblechdrehgestellen. Bei letzteren ließen sich einfach neue Durchbrüche für die Seitenstabilisierung schaffen, was bei den Stahlgußwangen nicht möglich war. Daher wurde bei ihnen diese durch Bügel oben über die Wangen geführt. Auch diese unterschiedlichen Ausführungen kann man noch heute an den Museumsfahrzeugen im MVG-Museum betrachten.
Insgesamt kann der Münchner Sonderweg der über 32 Jahre lang beschafften Maximumtriebwagen (kein anderer Betrieb in Deutschland hat so lange und so viel Maximumtriebwagen beschafft) als großer Erfolg bezeichnet werden. Sie waren für die damaligen Verhältnisse sehr leistungsfähig, hatten sehr gute Laufeigenschaften gerade auf dem schwierigen Münchner Streckennetz mit vielen sehr engen Kurven und fuhren trotzdem auf den langen teils schnurgeraden Außenstrecken auch bei höheren Geschwindigkeiten sehr ruhig.
Daher wäre es sehr wünschenswert, wenn zumindest der betriebfähige D6-Triebwagen 490 regelmäßiger zur Freude der Münchner eingesetzt werden könnte und Zeugnis für die gute Arbeit früherer Generationen ablegen dürfte.
Die Fortentwicklung des Münchner Weges wurde in den dreißiger Jahren zum einen durch die gigantischen Pläne zur Umgestaltung der Stadt München verhindert, in denen die Tram als nicht mehr modern kaum noch berücksichtigt wurde. Zum anderen fügte der Krieg dann der Münchner Tram immense Schäden zu und an Ersatzbeschaffungen kamen dann nur die extrem spartanisch und einfach gestalteten KSW, in München nach ihrer Herkunft als Heidelberger bezeichnet, nach München. In der Not der Nachkriegsjahre störte sich aber niemand an den primitiven Stehplatzwagen mit ihren bescheidenen Laufeigenschaften, Hauptsache, man kam überhaupt in den überfüllten Zügen mit!
Die Nachkriegsentwicklung der Münchner Tram wurde dann von einem weiteren Münchner Sonderweg geprägt, nämlich den Lenkdreiachsern der Typen M1 – M5. Aber dazu soll später ein weiterer Bericht folgen.
Das vordere Maximum-Drehgestell am Triebwagen Typ E 3.8 Nr. 624 wird entrostet
Foto: Reinhold Kocaurek / FMTM eV.
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Ein ausgebautes Maximum-Drehgestell komplett mit Motor & Getriebe.
Foto: Reinhold Kocaurek / FMTM eV.
Ein Maximum-Drehgestell wird abgeladen: kurze Filmsequenz mit einem Maximum-Drehgestell.
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Die Geschichte der Maximum-Drehgestelle ist damit aber in München nicht beendet. Als AEG, später Adtranz und MAN aus dem Bremer GT6 Drei-Teiler „Roland der Riese“ einen Prototyp eines modernen Niederflurgelenkwagens entwickelten und wegen des niedrigen Fußbodens keine klassischen Drehgestelle eingebaut werden konnten, entwickelte man ein modernes Maximum-Drehgestell. Da bei den AEG Niederflurtriebwagen, aus denen dann auch die Münchner R 1.1, R 2.2 und R 3.3 hervor gingen, die Motoren seitlich unter einer Sitzbank längs im Wagenkasten untergebracht werden mussten, kam ein allachsangetriebenes Fahrzeug nicht in Frage. Mit vernünftigem Aufwand ließ sich nur jeweils eine Achse jedes Fahrgestells antreiben. Um trotzdem eine ausreichende Zug- bzw. Bremskraft für hohe Beschleunigungswerte zu erreichen, musste wieder auf das alte Maximumtraction Prinzip zurückgegriffen werden. Der Wagenkasten stützt sich etwa im Drittelpunkt nahe den Antriebsrädern ab und so kann ca. 2/3 des Fahrzeuggewichts für die Übertragung der Antriebskräfte genutzt werden. Ansonsten hat die Konstruktion der R-Wagendrehgestelle aber nichts mehr mit den früheren Maximumgestellen gemeinsam. Da die Motoren bei den R-Wagen im gefederten Wagenkasten jeweils unter einer Sitzbahn untergebracht und damit abgefedert sind, sind die Drehgestelle hier sehr leicht. Um die niederflurigen Fahrzeugböden realisieren zu können. Wurden auch keine klassischen Achsen eingebaut. Die Laufräder sind Einzelräder ohne Verbindung. Die Treibräder sind über Winkelgetriebe und eine tief liegende Verbindungswelle miteinander verbunden und stellen so nur eine virtuelle Achse dar.
Da der Motor im vorderen Wagenteil wegen der ersten Türe hinter dem Drehgestell angeordnet werden musste ergab sich zufällig noch ein optimales Kurvenverhalten der R-Wagen. Der Wagenkasten wird durch den doppelt so langen Hebelarm der Laufräder verzögert in die Kurve gelenkt und bewegt sich daher weitgehend ruckfrei in die Kurve, womit auch der Verschleiß der Schienen in Kurven minimiert wird!.
Leider kam diese fahrgastfreundliche und Gleis schonende Drehgestellbauart bei den Siemens Avenio nicht mehr zum Einsatz, da zum einen die R–Triebwagen vom damaligen Konkurrenten AEG / Adtranz hergestellt wurden und Siemens bei den Avenios seine eigenen, für die wenig erfolgreichen Combinos entwickelten, Fahrwerke weiterverwenden wollte. Daher benötigt der vierteilige Avenio T auch sechs angetriebene Achsen bei etwa gleicher Fahrleistung und Abmessung gegenüber den ebenfalls vierteiligen R3 mit lediglich vier angetriebenen Achsen. Hier zeigt sich, dass technischer Fortschritt nicht immer auch echte Verbesserung bedeutet, sondern manchmal auch Bewegung zurück sein kann.