TRIEBWAGEN TYP T (AVENIO)
Gebaut von: Siemens
Wie bei den Variobahnen der Typen S 1.4 und S 1.5 erwähnt, hatten die längere Zeit auftretenden Kinderkrankheiten der Stadler Variobahnen bei der MVG zum Beschluss geführt, die Option für weitere acht zur Ausweitung des Angebots benötigte Variobahnen nicht einzulösen. Wegen der auch heute noch in München teilweise sehr schwierigen Gleiskonstruktionen (hier besonders die Schleife Romanplatz und die Gleisanlage rund um das Max-II-Denkmal), war die Auswahl dafür geeigneter Angebote sehr gering. Die Wahl fiel daher auf den gerade neu entwickelten Avenio von Siemens, da er im grundsätzlichen Aufbau den R 3.3 ähnlich ist und auch das speziell für den R3 entwickelte Spezialgelenk in der Mitte aufweist.
Die Avenios sind, wie alle Neufahrzeuge ab dem Typ R zu 100 % niederflurig. Sie wurden von Siemens als Nachfolger des sehr problematischen Combinos entwickelt, nachdem durch die Combinoprobleme beinahe Siemens total aus dem Trambahngeschäft ausgestiegen wäre. Im Gegensatz zum Combino als Multigelenkfahrzeug (ähnlich der Variobahn) basiert der Avenio wieder auf der letztendlich von den Münchner P-Wagen und ihren Bremer Vorbildern abgeleiteten Kurzgelenktechnik der R-Wagen. Da jedoch Siemens die von AEG/Adtranz entwickelten Maximumdrehgestelle mit den am Wagenkasten aufgehängten Motoren nicht übernehmen wollte, bekamen die Avenios dann die für die Combinos entwickelten Fahrgestelle.
Ausgebautes Niederflur-Antriebsfahrwerk eines Avenio
Aufnahme: Reinhold Kocaurek FMTV eV./ Grafik: Dieter Kubisch FMTM eV.
Familientreffen der R-, S- und T-Typen
© Archiv FMTM eV.
Bild: Frederik Buchleitner
Avenio 2805 befährt das Rondell am Romanplatz.
Bild: Andy Paula
Neben einem Avenio wirkt sogar der sonst wuchtige P-Wagen klein. Die Siemens-Wagen dürfen sich also auch in dieser Hinsicht als Nachfolger der Großraumgelenkwagen bezeichnen
Diese weisen keine Achsen zwischen den Radpaaren auf. Die Räder jeder Fahrgestellseite werden von einem abgefederten, längs liegenden Motor über entsprechende Winkelgetriebe angetrieben. Die eigentlich für den stabilen Betrieb von Schienenfahrzeugen notwendigen Achsen zwischen den Rädern werden bei den achslosen Fahrzeugen (auch bei den Variobahnen) durch eine elektronische Kopplung der beiden Räder ersetzt. Dies erfordert zwar einen großen regelungstechnischen Aufwand, hat aber den Vorteil, dass in besonders engen Kurven die unterschiedliche Weglänge von innerer und äußerer Schiene durch angepasste Drehzahlen der entsprechenden Räder ausgeglichen werden kann. Das Fahrverhalten der Avenios ist daher auch in Kurven sehr ausgeglichen.
Die Avenios verfügen über Asynchronmotoren und fallen im Verkehr durch das Siemens typische Singen der Elektronik auf.
Das Fahrgestell des zweiten Wagenkastensegments ist nicht angetrieben
Aufnahme: Reinhold Kocaurek FMTV eV./ Grafik: Dieter Kubisch FMTM eV.
Bild: Frederik Buchleitner
Avenio 2801 auf dem langen Stück zwischen den Haltestellen Berg am Laim und Riedenburger Straße
T-Wagen 2805 am Vogelweideplatz vor der Baustelle des Bogenhausener Tors
Bild: Andy Paula
Drei der vier Fahrgestelle sind motorisiert, sechs Motoren treiben also 12 Räder an. Das Fahrgestell des zweiten Wagenkastensegments ist nicht angetrieben. Die acht Avenios wurden im September 2012 bestellt und der erste Wagen schon nach gut einem Jahr am 28.10.2013 angeliefert. Doch dann begannen auch bei den Avenios die Probleme. Die Lieferung verzögerte sich und es mussten einige Nachbesserungen durchgeführt werden. Dadurch verschob sich der geplante Einsatz vom 28.4.2014 auf den 17.9.2014, als der erste Avenio, jedoch wieder nur mit einer befristeten Zulassung, in den Fahrgastbetrieb ging. Bis zum 23.12.2014 waren alle acht neuen Avenios mit den Nummern 2801 – 2808 im Fahrgastbetrieb. Unerwartet wurde dann aber von der Aufsichtsbehörde die bis zum 31.7.2015 erteilte befristete Zulassung nicht verlängert. Nach einem 11-tägigen Stillstand durften die Avenios dann bis 30.9.2015 befristet wieder eingesetzt werde. Ab diesem Datum wurde die unbefristete Betriebsgenehmigung erteilt.
Da die Fahrgastzahlen bei der Münchner Tram in den letzten Jahren konstant gestiegen sind und auf einigen Linien bereits zu Kapazitätsproblemen führen und dazu weitere Neubaustrecken in Planung sind, wurden 2015 weitere 22 Avenios bei Siemens bestellt, diesmal in drei verschiedene Ausführungen. vier Vierteiler (ähnlich den T 1.6) und je neun Dreiteiler (ähnlich den R 2.2) und neun Zweiteiler (Größe etwa einem P-Triebwagen entsprechend) sollen geliefert werden. Die Drei- und Zweiteiler sollen, ähnlich wie bei den Buszügen, bei hohem Fahrgastandrang gekuppelt dann in Doppeltraktion praktisch als Fünfteiler mit einer Gesamtlänge von ca. 48 Metern eingesetzt werden. Erinnerungen an die Dreiwagenzüge mit M5-Wagen auf der legendären Linie 8 werden da wieder wach.
In Schwachlastzeiten können dann die Dreiteiler und die Zweiteiler einzeln eingesetzt werden oder im Depot bleiben. So soll die Kapazität flexibel dem Fahrgastaufkommen angepasst werden. Der Lieferbeginn war zu Mitte 2017 vereinbart, hat sich aber schon wieder verschoben.
Für den weiteren Ausbau des Münchner Trambahnnetzes und den in einigen Jahren anstehenden Ersatz der R2-Triebwagen hat die MVG mit Siemens eine Option auf weitere 124 Avenios bzw. 106 Doppeltraktionen platziert. Daher wird in einigen Jahren München überwiegend Avenios einsetzen.
Avenio Vierteiler
Typ: T 1.6
Betriebsnummer: 2801-2808
Stückzahl: 8
Hersteller: Siemens
Baujahr: 2013/2014
Bild: Frederik Buchleitner
Avenio 2808 nähert sich als Kurs der Linie 21 der Haltestelle Olympiapark West
Bild: Frederik Buchleitner
Bisher ernteten die Fahrzeuge deutlich mehr Lob als die vorangegangenen Neufahrzeuge, die ‘unrunden’ Räder führen allerdings derzeit besonders bei Anwohnern zu Beschwerden. Avenio 2804 am 19. Februar 2017 am Sendlinger-Tor-Platz
August 2018:
Vier Wochen – bis zum Ende der Sommerferien – war mit T-Wagen 2801 einer der acht Siemens Avenios der ersten Serie nach Nürnberg verliehen. In der Nacht auf den 14.August 2018 wurde das Fahrzeug per LKW-Schwertransport vom Betriebshof 2 an der Einsteinstraße zum Betriebshof Heinrich-Alfes-Straße der Nürnberger Straßenbahn transportiert. Nachdem der Wagen 2801 das Nürnberger Gleisnetz erreicht hatte, wurde der Vierteiler “falschrum” rückwärts in den nahegelegenen Betriebshof geschoben. Dort wird der Avenio in den nächsten Tagen für Probefahrten im Netz vorbereitet.
Eine gemeinsamen Präsentation mit dem Krakauer Bombardier-Wagen im Museumsdepot St. Peter fand am 25. August statt: neben dem Krakauer NGT8 und dem Münchner Avenio ist auch der frisch modernisierte GT6N-Wagen 1011 aufgestellt.
Bild: Frederik Buchleitner
Vom 26. August bis 2. September 2018 fand in Nürnberg auch eine Erprobungen im Nürnberger Fahrgastbetrieb statt.
Wagen 2801 hat soeben die Schleife Gibitzenhof verlassen und fährt nun Richtung Dutzendteich
Frederik Buchleitner/ tramreport.de
Bild: Frederik Buchleitner