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Die Zweiachser von den ersten Z-Triebwagen bis zu den Heidelbergern (KSW)

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Das im frühen 19. Jahrhundert durch das Wachstum der Städte stark zunehmende Transportbedürfnis ihrer Bürger ließ sich mit den damals üblichen Kutschen und Pferdeomnibussen nur sehr mangelhaft abwickeln. Auf den damals üblichen wassergebundenen Makadam-Straßen (noch keine Teerdecke auf den Fahrbahnen) bzw. den schon mit Kopfsteinpflaster befestigten Hauptstraßen war der Fahrkomfort der Fahrzeuge mit ihren hölzernen Speichenrädern und den eisernen Radreifen sehr schlecht. Da stellten dann die aufkommenden Pferdebahnen schon einen gewaltigen Fortschritt dar. Ihre eisernen Räder liefen auf den zwar leichten aber, im Vergleich zu den holprigen Straßenbelägen, doch glatten Schienen schon sehr ruhig. Da sich bedingt durch den Antrieb mit Kutschpferden die Fahrgeschwindigkeit in bescheidenen Grenzen hielt, waren für die Pferdebahnwagen noch keine aufwändigen Fahrgestelle notwendig. Die Achsen waren mit einfachen Achshaltern direkt an den Wagenkastenrahmen geführt. Die einfache Federung erfolgte jedoch teilweise schon sehr modern über kegelförmige Gummipuffer (Bild 1). Diese Form der Federung mit Gummifedern ist heute in den Fahrwerken der Niederflurwagen weit verbreitet. Alternativ wurden die Achsen auch mit kleinen Spiralfedern abgefedert.

 

Die Wagen der Dampftram waren schon etwas stabiler gebaut, da ihre Hersteller aus dem Eisenbahnbereich stammten und daher bei der Dampftram stark vereinfachte Eisenbahnfahrwerke mit Achshaltern und Federung durch stählerne Schraubenfedern zum Einsatz kam (Bild 2). Aber auch die Dampftram fuhr zusammen mit allen anderen Verkehrsteilnehmern mitten auf städtischen Straßen und durfte daher behördlicherseits nur unwesentlich schneller als die Pferdebahn fahren. Anfangs waren nur 6 km/h erlaubt, die dann später auf 12 km/h erhöht wurden. Und auf der Außenstrecke (Nymphenburg wurde erst 1899 eingemeindet) waren sogar stattliche 16 km/h erlaubt.

Verständlicherweise waren die ehemaligen Pferdebahn- und Dampftramwagen als Anhänger für den elektrischen Betrieb auf Grund ihrer primitiven Fahrwerke nur schlecht geeignet. Zwar unterlag der elektrische Betrieb anfangs auch noch starken Geschwindigkeitsrestriktionen durch den Magistrat, aber elektrisch wurde doch schon schneller gefahren.

 

Um mit den elektrischen Triebwagen höhere Geschwindigkeiten zu erreichen, experimentierten die Fahrzeughersteller anfangs noch stark bei ihren Fahrgestellen. Die ersten Münchner elektrischen Trambahntriebwagen des Typs Z 1.22 der Firma Union Elektrizitäts-Gesellschaft erhielten die damals üblichen Union Fahrgestelle mit zweifacher Abfederung und separatem Fahrgestell  (Bild 3). Es bestand aus zwei massiven U-Profilen als Grundrahmen, an die die ebenfalls massiven Achshalter angenietet waren. Die von den Achshaltern geführten Achsen waren auf beiden Seiten mit Schraubenfedern gegen den Rahmen abgefedert. Quertraversen verbanden die beiden U-Profile und dienten als Aufhängung für die mechanische Bremse. Die beiden Tatzlagermotoren waren über gefederte Traversen auf den U-Profilen abgestützt. Der Wagenkasten war dann durch 12 Schraubenfedern zu den U-Profilen nochmals abgefedert. Federungstechnisch war dieses Fahrgestell sicher sehr komfortabel. Problematisch war aber, dass es keinerlei Dämpfung besaß, da Schraubenfedern nur eine sehr geringe Eigendämpfung besitzen. Bei den sehr kurzen Achsständen von nur 1,75 m müssen diese Z-Triebwagen selbst auf gut verlegten Schienen stark genickt und gewankt haben (Nicken ist die Bewegung um die Querachse und Wanken die Bewegung um die Längsachse (Bild 4). Das kann man gut bei dem kurzen Video des Schleiftriebwagens 11 auf der entsprechenden Seite bei trambahn.de sehen. Daher wurden 1905 die Union-Fahrgestelle bei den Z 1 und Z 2 Treibwagen ausgebaut und Brill 21 E Fahrgestelle eingebaut (siehe bei Brill).

 

Da also die Fahreigenschaften der Z-Triebwagen mit Union-Fahrgestellen nicht befriedigten, versuchte es die Münchner Tram bei den Z -.31 Triebwagen dann mit dem Hersteller Schuckert aus Nürnberg. Schuckert verfolgte mehr die österreichische Philosophie ohne eigenes Fahrgestell (Bild 5). Hier werden die Achsen, wie bei Eisenbahnwagen, mit direkt am Aufbaurahmen befestigten Achshaltern geführt. Die Federung besteht nur aus Blattfedern. Diese Bauart ist zwar sehr robust und noch heute bei vielen österreichischen Museumstrambahnen zu finden. Aber durch das Fehlen einer zusätzlichen Abfederung des Wagenkastens ist sie auch sehr hart und wenig komfortabel.

Eine letzte Verwendung dieser Bauart fand bei den mehr berüchtigt als berühmten Reko-Wagen der DDR-Betriebe statt. Wenig verwunderlich, war hier doch der Hersteller das RAW Schöneweide (Reichsbahnausbesserungswerk der DR), der natürlich beim Bau der Reko-Wagen sich mehr an Eisenbahnstandards orientierte.

Das Bild des Schuckert Gestells für einen Z -.31 Triebwagen zeigt deutlich die große Ähnlichkeit  mit leichten Eisenbahngestell eines Lokalbahnwagens.

 

Aus den geschilderten Gründen waren die Städtischen Trambahnen auch mit den Schuckert-Wagen nicht zufrieden. Als Lösung kam daher der Umbau auf besser bewährte Fahrgestelle des amerikanischen Herstellers J.G.Brill Company aus Philadelphia in Frage.

Die in München ab 1905 eingebauten Brill 21 E Trucks (Fahrgestelle) besaßen ebenfalls eine zweifache Abfederung mit besonders langer Federbasis. Die Seitenrahmen bestanden aus Hochkant-U-Profilen, in die ziemlich aufwändig die Achshalterung eingearbeitet war. Die Achsen waren wieder beidseits mit Schraubenfedern gegen das Fahrgestell abgefedert. Direkt daneben war das Fahrwerk dann je Seite mit 4 Schaubenfedern gegen den Wagenkasten gefedert, was einen weichen Lauf ergab. Um aber die starken Nickbewegungen der ähnlich gefederten Union-Fahrgestelle zu dämpfen, besaßen die Brill-Fahrgestelle an den Enden zusätzlich jeweils eine halbelliptik Blattfeder, also insgesamt 4 Blattfedern. Blattfedern besitzen wegen der Reibung der einzelnen Federblätter aufeinander beim Ein- bzw. Ausfedern eine starke Dämpfung, vergleichbar in der Wirkung mit modernen Schwingungsdämpfern. Dadurch wurde das Aufschaukeln der Triebwagen bei schnellerer Fahrt wirkungsvoll reduziert. Die Brill-Fahrgestelle gab es als Brill kurz für die Z 1.23 und Z 2.23 Triebwagen mit 30 inch Blattfedern und für die Z 3.24 Triebwagen als Brill lang mit 36 inch Blattfedern (Bild 6).

 

Da man damals jedoch mit den Investitionen sehr sparsam umging, verschrottete man die freigewordenen Union-Fahrgestelle nicht, sondern setzte sie unter die noch schlechter laufenden Schuckert Triebwagen als Z -.22. (Bild 7). Diese Wagen wurden wenig später in Arbeitstriebwagen umgebaut, bei denen die schlechten Fahreigenschaften nicht so wichtig waren. Ein Teil dieser Arbeitswagen war noch bis 1956 im Einsatz.

Drei besondere Exemplare von Zweiachsern wurden 1897/1898 wieder von Union E.G. beschafft. Es waren die ersten Batterie Hybrid-Triebwagen Z 3.-, die auf fahrleitungslosen Gleisabschnitten eingesetzt werden sollten (wie heute wieder auf der geplanten Nordtangente durch den Englischen Garten). Durch das zusätzliche hohe Gewicht der Bleibatterien, die unter den Sitzen im Fahrgastraum untergebracht waren, musste das Fahrgestell diesmal deutlich stabiler ausgeführt werden. Das Fahrwerk entsprach der österreichischen Bauart mit Achshaltern direkt am Aufbaurahmen und Abfederung mittels starker Blattfedern. Wegen des längeren Wagenkastens und um bei dem kurzen Achsstand das Nicken zu reduzieren, waren mit einem Hilfsrahmen jeweils an den Enden Vollelliptikfedern zum stabilisieren des Wagenkastens eingebaut (Bild 8). Da sich jedoch der Hybridbetrieb wegen der im Wagen austretenden Batteriesäuredämpfe nicht bewährte, wurden die die drei Triebwagen in normale Triebwagen umgebaut und erhielten dabei auch Brill 21 E Trucks, allerdings mit einer 36 inch Halbelliptikfederung, in München als Brill lang bezeichnet (siehe auch Bild 6). Sie liefen dann als Z 3.24 bis zu ihrem Umbau in Beiwagen.

 

Die Beschreibung der Brill 21 E Trucks ist in Bild 9-11 gezeigt. Diese Bilder verdanken wir dem Council of Tramway Museums of Australasia (CoTMA), das dankenswerterweise diese Typenblätter ins Internet gestellt hat. 

 

Nach den wenig zufrieden stellenden Erfahrungen mit den kleinen elektrischen Trambahnwagen ging München dann sofort sehr fortschrittlich auf deutlich größere Triebwagen mit Maximumdrehgestellen über, die für Jahrzehnte das Bild der Münchner Tram prägten und noch heute in mehreren Exemplaren den Fundus des Münchner Trambahnmuseums bereichern.

Aber bleiben wir noch bei den Zweiachsern.

Da der zweite Weltkrieg mit seinen verheerenden Bombenangriffen auch in München ab 1943 große Schäden beim Wagenpark angerichtet hatte, wurden aus verschiedenen Städten besetzter oder „verbündeter“ Länder Trambahnen nach München überstellt. Meist handelte es sich dabei jedoch um ältere Zweiachser mit Baujahre zwischen 1906 (die ex Nürnberger aus Kattowitz) und 1925 (die Mailänder). Sie besaßen alle zweiachsige Fahrwerke mit längerem Achsstand und zusätzlicher Abfederung des Wagenkastens mit Blattfedern gegen das ebenfalls mit Blattfedern abgefederte Fahrgestell, ähnlich den MAN-Pressblech-Zweiachserfahrgestellen (Bild 12). Einzig die 2 Überlandbahn-Triebwagen der Osloer Baerumsbanen waren schwere Vierachser. Sie waren aber auf den engen Kurven in München nicht einsetzbar.

Eine Sonderstellung nahmen die 5 Dresdener Zweiachser mit Baujahren vor 1900 ein. Da die Dresdener Tram bekanntlich eine Spurweite von 1450 mm statt der Münchner Normalspur von 1435 mm besitzt, konnten sie in München nicht direkt eingesetzt werden. Das einzige bekannte Foto des Dresdener Tw. 577 als Münchner X 4 2032 zeigt den Triebwagen daher mit einem alten Münchner Union Fahrgestell aus den Z 1.22 und Z 2.22 Wagen, die bis zum Krieg nur als Werkstatt- und Schneepflugwagen überlebt hatten (Bild 13). Ein Umspuren der originalen Dresdener Fahrgestelle war sicher kaum möglich, da zu viele Komponenten hätten geändert werden müssen. Die Laufeigenschaften der Dresdener Wagen mit den uralten Münchner Union-Fahrgestellen dürften auch sehr bescheiden gewesen sein, aber im Krieg war jedes Fahrzeug im Betrieb wichtig.

 

Ein deutlicher Fortschritt wurde dann mit den Kriegsstraßenbahnwagen KSW, in München nach ihrem Hersteller Fuchs in Heidelberg als „Heidelberger“ bezeichnet, erreicht. Zwar waren die KSW eine unter Kriegsbedingungen hergestellte einfachste Tram. Die Konstruktion basierte jedoch auf den vor dem Krieg entwickelten, aber nicht mehr ausgelieferten, deutschen Einheitsstraßenbahnwagen. Deren direkter Vorläufer war die in Nürnberg 1939/40 von DÜWAG und MAN beschaffte Triebwagenserie 901 – 930.

Der Aufbau der KSW mit den 4 großen, einteiligen Schiebetüren und den kantigen Plattformen war als reine Stahlkonstruktion ausgeführt und nur mit 12 Sitzplätzen bei immerhin 77 Stehplätzen ein wirkliches Massentransportmittel. Sehr modern war jedoch das Fahrgestell ausgeführt. Bei einem Achsstand von 3 m (genau wie sein Nürnberger Vorbild) waren die KSW alle mit Scheibenbremsen gebremst und die Achsen wurden mit sehr langen Blattfedern relativ weich abgefedert. Zusätzlich wurde der Kasten gegen das Fahrgestell mit 4 schräg gestellten, tief liegenden Gummifedern abgefedert und gleichzeitig geführt (Bild 14/15). Damit wurde für die damalige Zeit schon ein relativ niedriger Fahrzeugboden möglich. Die damals bereits aus synthetischem Kautschuk (Buna) hergestellten Gummifedern finden sich heute entsprechend weiter entwickelt in den modernsten Niederflurtrambahnen bei deren Federungen wieder.

Das moderne Fahrwerk der KSW -Trieb- und Beiwagen verlieh den Heidelberger Zügen für Zweiachser erstaunlich gute Fahreigenschaften. Auch die von Rathgeber nachgelieferten i 4.34 Beiwagen mit den Verbandswagen ähnlichen vierfenstrigen Aufbauten besaßen weitgehend gleiche Fahrgestelle.

Die Heidelberger Dreiwagenzüge wurden auf den wichtigsten Münchner Trambahnlinien aber auch extrem gefordert. Mit einer Kapazität von fast 300 Fahrgästen, die in den Stoßzeiten auch oft benötigt wurde, waren sie bis weit in die sechziger Jahre für München unersetzlich. Ich kann mich noch sehr gut an die vollbesetzten Heidelberger Dreiwagenzüge auf der L 19 am Hackerberg erinnern. Dort mussten sie oft nach dem Ampelhalt in der Steigung anfahren, was zu wiederholten Auslösungen des Überstromautomaten führte. Die Fahrer behalfen sich derart, dass sie aufstanden und beim Aufschalten mit der rechten Hand den Überstromautomaten einfach fest hielten, sodass er nicht mehr auslösen konnte, zwar nicht ganz regelkonform aber man kam den Berg hoch.

Einen Nachteil hatte das gut abgefederte Fahrgestell der Heidelberger jedoch, sie neigten beim Anfahren und Bremsen wegen ihres langen Kastenüberstandes (Kastenlänge immerhin 10,4 m) stark zum Nicken. Da dies auch beim Rangieren in den Betriebshöfen erfolgte, waren viele Heidelberger Triebwagen über dem Puffer im Bereich der vorderen Wagennummer unter dem Frontscheinwerfer etwas eingebeult, da sie beim Auffahren auf eine stehende andere Tram mit ihrem Puffer unter den Puffer des Vordermanns gerutscht waren und sich dessen Puffer in das Frontblech gerammt hatten.

Schließlich wurde aus den Heidelbergern, wenn auch nicht in München sondern in Duisburg, die heute z.B. in den Münchner Variobahnen umgesetzte Idee der Multigelenktrambahnwagen geboren. Aus der Not heraus, da die Neuanschaffung moderner Gelenktriebwagen bei DÜWAG nicht finanzierbar war, baute man in Duisburg u.a. aus KSW-Trieb- und Beiwagen durch das Einfügen eines schwebenden Mittelteils durchgängige Gelenktrambahnen (Bild 16/17), die mit einem Schaffner oder später sogar Schaffnerlos eingesetzt wurden. Aber zur weiteren Entwicklung der modernen Nachkriegswagen über die Großraumwagen und Kurzgelenkwagen hin zu den heutigen Niederflurwagen folgt ein weiterer Teil dieses Artikels.

Sicher ist dem werten Leser aufgefallen, dass die Fahrgestelle der Münchner Beiwagen bisher nicht durchgängig erwähnt wurden. Sie stellen jedoch eine eigenständige Entwicklung dar und sollen daher ebenfalls in einem eigenen Artikel später behandelt werden.

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